Freitag 19. September 2025

Beten in Verbundenheit – Wer unser Vater sagt, sagt auch Bruder und Schwester

Sozialpredigt  zum 17. So. i. Jk (27.07.2025), Lesejahr C
Autor: Fritz Käferböck-Stelzer, Leiter Gruppe TMA Nettingsdorf

Dein Reich komme und gib uns täglich das Brot, das wir brauchen … mit Jesus zu beten wagen reißt uns aus der Welt individueller Befindlichkeiten, weitet die Gottesbeziehung und weist uns den Weg über uns hinaus zu einer Gemeinschaft unbedingter solidarischer Geschwisterlichkeit, wo das gemeinsame Brot, um das wir Tag für Tag bitten, geteilt werden will und muss – mit allen Menschen.

 

Predigt:

Lehre uns beten. Aus der Bitte eines Einzelnen entfaltet Jesus ein Lebenskonzept in Kurzversion. Beten im Geist Jesu verändert den Blick auf das Lebensnotwenige und stiftet Gemeinschaft. Jesus legt immer wieder einen Stopp ein, um eine Runde zu beten. Er betet an verschiedenen Orten, zu verschiedenen Zeiten hält er inne, unterbricht den Gang des

Alltages. Aus dem Gebet schöpft er Klarheit und Kraft für sein Handeln, verschafft sich Orientierung. Beten verbindet mit der Tradition derer, die vor uns gebetet haben und nach uns beten werden, Jesus gibt die Gebetsrichtung vor: Gott. Beten im Sinne Jesu will also

gelernt sein, braucht Anleitung und Unterstützung.

 

Wenn ihr betet, so sprecht. Mehrzahl. Dieses uns zeigt schon, dass Beten ein

Gemeinschaftsprojekt ist, von mehreren getragen, verbindet einander in der Ausrichtung.

Man könnte es auch so zusammenfassen: Lehre uns, wie wir zu einem gemeinsamen Bitten, Beten, Denken und Handeln kommen. Beten zeigt auf, wie wir leben wollen, wie wir uns miteinander die Welt gestalten wollen. Jesu Blickrichtung beim Beten geht zur Gemeinde, die Gemeinschaft der Jüngerinnen und Jünger. Sie bitten und beten gemeinsam zu Jahwe, ihrem Gott. Mit Jesus zu beten hat Konsequenzen. Es geht um ein menschliches Miteinander, Jesus verdeutlicht das am Umgang mit einem Menschen, der

bei einem Freund um Mitternacht um Brot bittet, weil ein bedürftiger Freund auf Besuch gekommen ist. Der Freund wird zwar vielleicht sagen: „Spinnst du, weißt du eigentlich, wie spät es ist?“ Er wird ihm aber aufmachen und auf sein Anliegen eingehen.

 

Der Auftrag Jesu ist klar: Du darfst dich deinem Nächsten, deiner Nächsten nicht entziehen, schau nach, was du hast und gib, wenn andere was von dir brauchen. In der Gewissheit, dass auch du empfangen wirst, wenn du bittest. Und scheu dich nicht davor, jederzeit zu bitten, sei es auch noch so spät in der Nacht.

 

Gott ist Dreh und Angelpunkt und Bezugspunkt des Betens. Jesus verweist auf den gemeinsamen Vater und macht uns dadurch zu Geschwistern. Der gemeinsame Vater verbindet uns, bindet uns in Verantwortung aneinander. Wer also unser Vater sagt, macht die Mitmenschen zu Brüdern und Schwestern. Und da ist neben der netten Nachbarin oder dem Arbeitskollegen auch der bettelnde Obdachlose gemeint, der die Hand

entgegenstreckt, oder der rumänische Bettler, der allwöchentlich mit gesenktem Blick und leerem Becher vor dem Supermarkt sitzt und unseren Blick herausfordert. Uns sozusagen zu seinem Nächsten macht.

 

Jesus lehrt uns beten, und das so richtig. Vater. Dein Name werde geheiligt. Da schwingt aus der Tradition für den gläubigen Juden Jesus und auch für seine Jüngerinnen und Jünger der Satz mit: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.

 

Zumindest dann und wann sollten wir uns die Frage stellen: Was ist uns in unserem Leben heilig? Was halten wir hoch? Unser Haus, das neue Auto, meine Ruhe, die mir heilig ist, dass das Geld am Sparbuch wächst. Vor welchen Göttern und Götzen beugen wir die Knie? Wer oder was hat unser Denken und Tun in Besitz genommen. Ist der Profit zum neuen Hauptgott aufgestiegen? Dass Geld sich vermehrt, dass Geldanlage sich rechnet,

ist das auch unsere Hoffnung? Und fragen oft nicht mehr, wer dafür arbeiten muss und die Lasten zu tragen hat und vergessen dabei, dass Geld aus sich heraus nicht die Kraft hat zu wachsen. Die Armut der einen und der Reichtum der anderen haben immer miteinander zu tun. In Österreich gibt es 3000 Stiftungen, 30 Millionen oder mehr sind pro Stiftung

steuerschonend geparkt. Reichtum will hier nicht geteilt werden, der Widerstand gegen eine Vermögenssteuer ist wie vor ungebrochen. So wird den Vielen ein gutes Leben vorenthalten, weil wenige ihren Reichtum nicht teilen. Und: Die Versuchung, zu den Reichen gehören zu wollen ist groß.

 

„Die Armen sind ein Problem für die Gesellschaft. Schlimmer sind die Reichen, sie koppeln sich ab, sie interessiert die Gesellschaft nicht“ schreibt Aristoteles. Die Reichtümer der Erde könnten zwölf Milliarden Menschen ernähren, sagt Jean Ziegler. Dazu braucht es die radikale Bereitschaft zu Teilen. Genau das will uns Jesu im Gebet lehren. Im Beten verändern wir die Wirklichkeit in einem ersten Schritt, weil wir von einer gemeinsamen

Wirklichkeit, die sich an den Gaben des Vaters orientiert, sprechen. Die Güter der Welt sind für alle da, sollen allen zugutekommen.
 

Dein Reich komme. Starke Worte für unsere Welt. Das Reich der Solidarität und des Miteinanders, ohne Herrschaft und Ausbeutung, wo Menschen gleichwertig und gleich an Würde miteinander leben können, klingt wie ein Traum aus einer anderen, fremden Welt.

 

Das Brot, das wir nötig haben, gib uns Tag für Tag. Was haben wir nötig, um zu leben? Zu Essen, zu trinken, ein Dach über dem Kopf und eine Arbeit, die uns ernährt. Das sind doch eigentlich keine überzogenen Wünsche. Die Erde hat genug Brot für alle ihre Kinder. Das Menschenrecht zu essen, satt zu werden, gehört zu den Grundrechten. An der Verletzung dieses Grundrechtes sind tagtäglich alle reichen Staaten beteiligt. Weltweit stirbt alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger, schreibt Jean Ziegler. Wir verheizen Nahrungsmittel für unsere Energieproduktion, taub für die Bitten der Welt.

 

Das Gebet Jesu aufmerksam gebetet verweist uns auf unser aufeinander Angewiesensein als Menschen. Wir können uns der Verantwortung füreinander nicht entziehen. Diese Verantwortung hört eben nicht im eigenen Haus, im eigenen Dorf, in der eigenen Stadt oder in Österreich auf. Auf dieser Welt kann es keine seligen Inseln geben, solange Menschen sterben müssen, weil andere den Hals nicht vollkriegen können. Und wir? Was bedeutet das für unsere Art zu leben, unsere Art Kirche zu sein, Grenzen abzusichern, dicht zu machen, unsere Häuser zu versperren?

 

Als Menschen sind wir immer wieder auf Vergebung angewiesen. Aneinander zu scheitern, uns unser Menschsein, unser menschlich sein vorzuenthalten kommt immer wieder in unserem Leben vor. Unrecht und menschenunwürdige Verhältnisse brauchen einen befreienden Umgang. Brauchen auch das konkrete Erlassen von Schulden. Die himmelschreiende Ausbeutung der arbeitenden Menschen, das Vorenthalten des gerechten Lohnes, wenn Arbeitgeber bei Lohnverhandlungen ihr erstes Angebot weit

unter der Inflation ansetzen und Nulllohnrunden verlangen, signalisiert, dass ihnen die geleistete Arbeit nichts wert ist. Das Bereichern der einen auf Kosten der anderen – all das muss berühren und zum Widerspruch fordern. Wir sind im Lichte des gemeinsamen Vaters füreinander verantwortlich. Konkrete Vergebung wirkt in eine neue Praxis des Miteinanders.

 

Bitten und geben, suchen und finden, anklopfen und öffnen. Einmal sind wir auf der, einmal auf der Seite. Wir dürfen einander in Anspruch nehmen, uns beanspruchen, uns „belästigen“ lassen. Konkret dürfen wir bitten, anklopfen, und beten und vertrauen, dass uns aufgetan wird und dass wir bekommen, was wir brauchen. Jederzeit, auch mitten in der Nacht. Darum geht es wesentlich. Bitten um das, was wir wirklich brauchen für ein gutes Leben und gutes Arbeiten, aufeinander zugehen und uns für unsere Grundbedürfnisse gemeinsam verantwortlich fühlen.

 

Wir dürfen das Brot, um das wir Tag für Tag bitten, einander nicht vorenthalten. Brot wird erst zum Leben, wenn es geteilt wird. So schreibt Bertolt Brecht und verweist so auf den Auftrag Jesu. Die Bitte um das Brot Tag für Tag ist die Bitte um Gerechtigkeit für alle. Denn nur innerhalb einer weltweiten Gerechtigkeit ist auch unser Überleben sicher. Gib uns daher heute und morgen und übermorgen unsere tägliche Solidarisierung mir den Armen und Ärmsten, bei uns und weltweit.

 

Lehre uns beten, lehre uns teilen, lehre uns ein geschwisterliches Leben. Ein Programm für unser Leben, das täglich eingeübt werden will. Darum wollen wir Bitten und Beten, täglich, dass das Leben im Miteinander besser gelingt, wir einander Mensch werden und solidarisch bleiben.

 

Möge uns Gottes Geist dabei begleiten. Amen.

 

Download: Sozialpredigt

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